Vor ca. drei Tagen hat mich eine komische Stimmung befallen. Ich würde sagen, auf mir liegt eine Art Melancholie. Sie kam einfach aus dem Nichts. Abends als ich ins Bett gegangen bin, war alles noch gut und als ich morgens aufwachte, war sie da, einfach so. Seitdem überlege ich wo sie herkommt und noch mehr grübele ich darüber nach wie ich sie wieder loswerde.
Ich hatte solche Stimmungseinbrüche auch schon öfter in Deutschland aber da wusste ich sofort wo sie herkamen, viele Möglichkeiten dafür gab es ja nicht. Meistens lag die Ursache darin, dass ich mich in den Tagen zuvor entweder physisch oder psychisch verausgabt habe und mein Körper mir dadurch signalisierte: „Hallo Jeannette, hier spricht dein Körper! Falls du es vergessen haben solltest, ich bin auch noch da und ich brauche jetzt eine Pause. Schalte mal einen Gang runter! Und fang am besten jetzt gleich damit an!“ An dem Tag, an dem ich dieses überdeutliche Signal erhalten hatte, lief dann bei mir auch gar nichts mehr. Ich hatte zu nichts Lust und konnte mich zu nichts aufraffen. Ich wollte niemanden sehen und wollte einfach nur meine Ruhe haben, und am besten auch allein sein. So gut ich konnte, ging ich dann diesen für mich überlebensnotwendigen Bedürfnissen nach und spätestens nach zwei Tagen war ich wieder ganz die Alte. Ich war wieder energiegeladen, hatte Lust was zu unternehmen oder rumzuwerkeln und konnte auch wieder lachen.
Dieses Mal sind die Symptome ähnlich aber doch irgendwie anders. Trotz allgemeiner Lustlosigkeit schaffe ich es dennoch, haushaltstypische Dinge zu erledigen oder spazieren zu gehen. Auch wenn ich mit den Kindern zusammen bin, ist es fast normal, nur dass ich eben ruhiger bin. Was mir aber wirklich Sorgen bereitet, ist diese tiefe Traurigkeit, die ich gerade empfinde. Diese dominierende Traurigkeit lässt mich gerade überhaupt kein bisschen Freude empfinden und legt mich in manchen Situationen völlig lahm.
Aber das geht doch nicht: Ich kann doch in einer der schönsten Gegenden der Welt nicht eines der schlimmsten Tiefs habe – das ist doch absolut paradox!!!
Und jetzt kommt die alles entscheidende Frage: Was ist die Ursache dafür???
Überarbeitung? Kann es nicht sein! Mein Körper konnte in den letzten Wochen wirklich seine Kräfte sparen. Außer ein paar Kilometer Joggen musste er keine außergewöhnlichen Anstrengungen vollbringen.
Langeweile? Glaube ich nicht! Das habe ich mir doch immer gewünscht. Deswegen wollte ich doch auch hierherkommen, damit ich endlich mal wieder Langeweile habe. Das hatte ich doch schon in meinem letzten Beitrag ausführlich thematisiert.
Fehlende Struktur im Alltag? Eher unwahrscheinlich! Dadurch, dass wir mit den Kindern seit ein paar Wochen vormittags Schule machen, hat unser Alltag wieder mehr an Struktur gewonnen. Das finde ich auch wirklich gut.
Berufliche Perspektivlosigkeit? Könnte sein! Aber eigentlich sind wir doch hier im Urlaub, da muss ich doch nicht übers Geld verdienen nachdenken. Das kann ich doch immer noch machen, wenn die Zeit gekommen ist. Das Thema „Ansprüche“ hatte ich doch schon.
Zu wenig menschliche Kontakte? Auch das könnte sein. Ich bin gern mit Menschen zusammen und ich unterhalte mich auch gern. Das kam in den letzten Wochen auf jeden Fall zu kurz. Die Anzahl unserer deutschen Freunde kann ich an einer Hand abzählen und einheimische Freunde habe ich noch keine, weil es mir aufgrund fehlender Sprachkenntnisse nicht möglich ist, eine Unterhaltung zu führen.
Heimweh? Das könnte Ursache Nummer drei sein! Ich vermisse meine Eltern schon sehr. Üblicherweise war es bisher so, dass wir uns mindestens einmal im Monat gesehen haben. Manchmal hat es nicht geklappt, aber manchmal hingegen sahen wir uns auch öfter. Und wenn ich zurückrechne, ist es am heutigen Tag über fünf Wochen her, dass wir uns zum letzten Mal gesehen haben. Telefonieren, auch wenn es Videotelefonie ist, ist definitiv kein adäquater Ersatz für ein Wiedersehen – was nicht nur für meine Eltern gilt, sondern auch für meine zurückgelassenen Freunde. Nichts kann ein persönliches Treffen ersetzen, gar nichts.
Und was mache ich jetzt??? Welche mögliche Ursache soll ich zuerst bekämpfen und vor allem wie? Sollte ich jetzt alle mir verbliebenen Kräfte sammeln und in die Offensive gehen oder lieber abwarten, in der Hoffnung, dass die Melancholie so geht wie sie gekommen ist – plötzlich und von ganz allein? Ehrlich gesagt, bin ich gerade ratlos…