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Freund oder Feind?

Jeder Mensch ist davon betroffen, in seinem Leben Unmengen von Entscheidungen treffen zu müssen. Die kleineren davon, die eher unbedarften, treffen wir spontan und aus dem Bauch heraus – Welche Pizza möchte ich jetzt essen? Welche Hose ziehe ich heute an? Schmeckt mir die Schokolade oder nicht?

Dann gibt es die Entscheidungen, die eine Stufe relevanter sind. Dafür wäre eine Pro-Contra-Liste ganz nützlich – Wann sollte ich mir ein neues Auto kaufen? Wäre ein Arbeitsplatzwechsel jetzt ratsam?

Aber dann gibt es da auch noch die wirklich, wirklich wichtigen Entscheidungen. Diese Art der Entscheidungen wird weder aus dem Bauch heraus, noch mit Hilfe einer Pro-Contra-Liste getroffen. Diese Art der Entscheidungen wird meistens mit dem Herzen getroffen. Die Tragweite dieser Entscheidungen erkennt man daran, dass man ihre Konsequenzen das ganze Leben lang spürt. Meistens sind diese Entscheidungen auch so gravierend, dass nicht nur der Entscheider selbst die Konsequenzen trägt, sondern auch viele Menschen in seinem Umfeld mit, ganz automatisch, ohne dass sie informiert wurden und ohne, dass sie vorher vor einer Wahl gestellt wurden.  

In meinem Freundeskreis befindet sich ein Pärchen, das für mich ein Paradebeispiel dafür ist, welch enorm große Konsequenzen eine einzige Entscheidung haben kann. Zwei sich liebende Menschen wurden vor vielen Monaten gezwungenermaßen vor einer Wahl gestellt. Sie hatten zwei Möglichkeiten zur Auswahl. Um für sich den richtigen Weg zu finden, haben sie sich viel Zeit genommen. Die endgültige Entscheidung haben sie zusammen getroffen und sie haben sie mit ihrem Herzen getroffen. Sie haben sich voller Hoffnung für das Leben entschieden, ohne auch nur im Ansatz zu erahnen, was es bedeuten würde, wenn der worst case eintreffen sollte.

Leider ist der worst case eingetroffen und hat das komplette Leben der beiden umgekrempelt. Angetrieben von ihrer Liebe geben diese beiden Menschen seit vielen Monaten alles, was sie haben – ihre Zeit, ihre Energie und ihre gesamte psychische und physische Kraft – jeden Tag, den ganzen Tag. Sie gehen dabei bis an ihre Grenzen. Und sollte der Tag kommen, an dem ihre Mühen ein Ende finden, wird ihr Leben nie wieder so sein, wie es vor der Entscheidung mal war. Für das Danach gibt es zwei mögliche Szenarien – entweder sie gehen daraus gestärkt hervor oder sie gehen daran kaputt.

Die Geschichte meiner beiden Freunde berührt mich so stark, dass es mir schwer fällt, meine Gefühle in Worte zu fassen. Das, was die beiden jeden Tag leisten, verdient höchsten Respekt und ich kann mir nicht mal ansatzweise vorstellen, in dieser Situation die gleiche Stärke aufzubringen wie sie.

Für mich persönlich nehme ich aber zwei Sachen mit:

1. Sollte ich in der Zukunft vor Entscheidungen mit der höchsten Wichtigkeit gestellt werden, werde ich mir mehr Zeit nehmen um eine Wahl zu treffen. Ich werde mir mögliche Konsequenzen ableiten und mir gleichzeitig überlegen, ob ich genug Kraft habe, diese Konsequenzen bewältigen zu können.

2. Ich stelle mir die Fragen: Ist das Herz bei gravierenden Entscheidungen immer ein verlässlicher Partner? Ist es dann Freund oder Feind?

Auf mein Leben zurückblickend stelle ich fest, dass mein Herz doch einen sehr großen Einfluss bei der Wahl meiner Entscheidungen hatte und in mir meistens einen starken Antrieb bewirkte. War das jetzt gut oder schlecht? Wie würde mein Leben aussehen, wenn ich meine gefühlsgelenkten Entscheidungen rational getroffen hätte?

Ich wäre jetzt nicht hier – so viel ist sicher!

Was passiert ist, ist passiert und kann ich nicht mehr ändern aber Fakt ist doch eins: Jede Entscheidung, die ich in meinem Leben getroffen habe, hat mich dort hingeführt, wo ich jetzt bin. Für den entsprechenden Augenblick schien die Entscheidung richtig – vielleicht nicht immer zu 100% durchdacht, manchmal vielleicht auch zu spontan, aber für den Moment schien alles plausibel. Und auch wenn ich manche Dinge im Nachhinein anders gemacht hätte, stehe ich doch zu und hinter meinen Entscheidungen und kann ihnen nur für meine Zukunft die Wichtigkeit einräumen, die sie sich aus der Vergangenheit verdient haben.