Es scheint verlockend zu sein, die Augen zu schließen und dann zu denken, das Problem sei gelöst, nur weil man es nicht mehr sieht.
Ich musste in den Ferien der Wahrheit ins Auge blicken und mir eingestehen, dass es nicht mehr funktioniert, zwei Jobs gleichzeitig zu machen. Es frustrierte mich, stetig das Gefühl zu haben, sowohl für den einen als auch für den anderen Job immer zu wenig Zeit zu haben und dadurch nie 100% geben zu können. Und wie in meinem letzten Blogpost schon geschrieben, bewältigte ich in den letzten Monaten ein Arbeitspensum, was ich nicht mehr lange durchhalten würde.
Wenn ich so an den Lehrerberuf denke, in den ich bisher nur eine kurze Zeit reingeschnuppert habe, erinnert er mich irgendwie an einen Eisberg. Von einem Eisberg schwimmt nur ein sehr geringer Teil an der Oberfläche, das meiste davon liegt tief verborgen im Wasser.
Wenn Eltern Lehrer sehen, sehen sie Beamte, die ab mittags frei haben und immer dann Urlaub machen, wenn Ferien sind. Aber da ist noch so viel mehr, was keiner sieht und keiner weiß. Kaum jemand weiß, dass 25 Stunden in der Schule nicht annähernd vergleichbar mit 25 Stunden in der Wirtschaft sind.
Während des Schuljahres kommen noch allerhand außerschulische Termine dazu: Dienstberatungen, Klassen-, Zeugnis-, Gesamtkonferenzen, Fortbildungen, Fachschaftssitzungen usw. Wirklich Urlaub haben Lehrer nur in den Sommerferien. Die restlichen Ferien gehen für Korrekturen, Klausur- und Unterrichtsvorbereitung drauf. Der Sonntagnachmittag ist grundsätzlich geblockt, weil der nächste Tag oder vielleicht schon die ganze Woche vorbereiten werden muss.
Die Unterrichtsvorbereitung ist das A und O in der Schule, denn jede Stunde muss so strukturiert werden, dass den Schülern das Fachwissen didaktisch gut vermittelt werden kann.
Erfahrene Lehrer, die schon lange dabei sind, brauchen pro Unterrichtsstunde vielleicht 30 Minuten zum Vorbereiten. Bis Anfänger aber dahin kommen, ist es ein sehr langer Weg, der viele Jahre dauert.
Ich als Seiteneinsteigerin benötige zum Vorbereiten einer Unterrichtsstunde ca. 2-3 Stunden, weil ich zwar den fachlichen Stoff habe, mir aber das Wissen fehlt, diesen didaktisch gut aufzubereiten.
Abhängig vom Bundesland fangen Referendare nach dem Lehramtsstudium mit 8-12 Stunden in der Schule an. Ein Teil davon hospitieren sie, einen anderen Teil geben sie selbst schon Unterricht. 18 Monate lang haben Referendare Zeit, in die Rolle des Lehrers reinzuwachsen. Danach starten sie meistens Vollzeit an der Schule – am Gymnasium sind das 25 Unterrichtsstunden.
Seiteneinsteiger haben vielleicht das Fachwissen, aber keinerlei didaktisches Hintergrundwissen. Sie müssen nach einem vierwöchigen Grundlagenkurs mit 25 Unterrichtsstunden in der Schule starten.
Man braucht kein Studium, um festzustellen, dass es unmöglich ist, als Seiteneinsteiger 25 GUTE Unterrichtsstunden zu halten. Ich mit meiner Teilzeit von 15 Unterrichtsstunden wollte unbedingt guten Unterricht geben, damit die Schüler den Stoff verstehen und wenigstens mit ein bisschen Freude bei der Sache sind.
Und da stieß ich an meine Grenze.
Ich habe gemerkt, dass ich nur dann guten Unterricht geben kann, wenn ich mich ausschließlich und zu 100 % diesem Beruf widme. Das hätte ich auch gern mit viel Engagement und Herzblut gemacht. Doch dann hätte ich alles um mich herum vernachlässigt – meine Familie, meine Gesundheit und letztendlich auch mich selbst. Und das über einen Zeitraum von ca. 1 bis 2 Jahren.
Der August ist dafür prädestiniert, der Monat der lebensverändernden Entscheidungen zu werden. Wir haben uns im August 2022 dafür entschieden, unsere Zelte in Montenegro vorzeitig wieder abzubrechen und so habe ich auch dieses Jahr im August eine notwendige Entscheidung getroffen. Wie alle großen Entscheidungen gehörte diese ebenfalls zu den schwersten in meinem Leben und es dauerte lange, bis sie endgültig war.
Während der Entscheidungsphase habe ich alle möglichen Argumente sowohl für den einen als auch für den anderen Beruf von allen Seiten beleuchtet und tausendmal abgewogen. Ich habe viel darüber geredet, mit Ronny, mit Freundinnen, mit meinen Eltern. Oft lag ich in der Nacht wach und grübelte – tagsüber grübelte ich noch viel mehr.
Das Zünglein an der Waage war ein Telefonat mit meiner sehr guten Freundin Sofia (siehe Blogbeitrag vom 13.03.23). Ich erklärte ihr meine Sachlage und das Dilemma, in dem ich mich befand. Sie hörte sich meine Situation ganz genau an und äußerte daraufhin die wahrscheinlich wichtigste Frage:
„Was soll in den nächsten 6 Monaten in deinem Leben Priorität 1, 2 und 3 haben?“ Ich antworte ihr und dann sagte sie: „Und jetzt überlege doch mal, mit welchem Job du diese Prioritätenliste umsetzen kannst!“ Das war der KO-Schlag für die Lehrerin.
Trotz der Freude, mit der ich Lehrerin war, habe ich mich gegen diesen sinnstiftenden Beruf entschieden und meine Anstellung zum 31.8.2023 gekündigt. Ab 1.9. werde ich wieder Content Creator und schreibe überwiegend Texte. Diese Arbeit mit all seinen Vor- und Nachteilen passt gerade besser zu meinem Lebensmodell als die einer Lehrerin.
Derzeit übernehme ich nur noch Vertretungsstunden und lass mir unterschiedliche Stundeninhalte einfallen. Es macht immer noch Spaß. Und ich sehe ganz tolle Kinder, die großes Potential haben und wünsche mir, dass sie diese Stärken irgendwann selbst erkennen und daran wachsen.
4 Tage bin ich noch in der Schule und dann beginnt wieder ein weiteres, neues Abenteuer, dessen Ausgang ungewiss ist.