Im Moment fühle ich mich wie ein Schwebeteilchen im Wasser, was sich nicht entscheiden kann, zu welcher Seite es gehört – oben oder unten, gut oder schlecht, Bewegung oder Stillstand.
Im Moment weiß ich nicht, ob ich hier in Montenegro Urlauber oder Einwohner sein möchte. Ich würde jetzt eher zum Urlauber tendieren, aber auch dafür will sich kein Gefühl einstellen. Ich bin irgendwie hier – nicht mehr und nicht weniger. Ich beobachte, ich lasse alles auf mich wirken, ich versuche, nicht voreingenommen zu sein und dabei herauszufinden, zu welcher Seite ich gehöre. Dabei geht es mir mehr um das Wohl der Kinder, weniger um das meine.
Ich denke zurzeit oft an meine Freundin, die ich vor 15 Jahren kennengelernt habe. Ihre Eltern sind mit ihr und ihrer Schwester Anfang der 1990er Jahre aufgrund des Bürgerkriegs aus Bosnien geflüchtet und haben sich in der Mitte Deutschlands niedergelassen. Wie sie sich wohl gefühlt hat? In einer fremden Umgebung, ohne die Sprache zu sprechen, ohne Freunde, in dem Bewusstsein, komplett neu anfangen zu müssen? Darüber haben wir nie gesprochen. Und auch wenn der Krieg als solches an sich mit nichts vergleichbar ist, so sind wir gefühlstechnisch – Sie damals und ich heute – wohl in ähnlichen Situationen. Die Unterschiede zwischen uns beiden sind jedoch die, dass ich mir den Neuanfang selbst ausgesucht habe und immer die Möglichkeit habe, wieder zurück zu gehen. Aber ob ich dadurch im Vorteil bin, sei dahingestellt. Vielleicht führen das Bewusstsein über die Endgültigkeit einer Entscheidung zu der Motivation, die notwendig ist, um alles geben zu wollen und zu können und aus den Gegebenheiten sein Glück zu formen.