Eigentlich wollte ich einen Blog Post über meine erste Workation schreiben, die ich Anfang Mai mit Ronny und den Kindern in Frankreich erlebt habe, aber zum einen sitze ich an dem Artikel schon über zwei Wochen, weil mir nicht die passenden Worte einfallen (ja, auch Texterinnen gehen mal die Worte aus) und zum anderen sind bei mir gerade andere Themen viel brisanter, die mich zum Grübeln bringen und deshalb veröffentlicht werden sollten.
Ich habe die ersten zwei Wochen hinter mir, in denen ich so richtig in den Schulalltag integriert bin. Ich habe an meiner ersten Dienstberatung teilgenommen, habe schon etliche Vertretungsstunden übernommen und unterrichte offiziell in zwei 8. Klassen Chemie. Nebenbei hole ich mir noch sehr viele Tipps und Unterstützung von meiner Kollegin, die mir – Gott sei Dank – noch bei der Unterrichtsvorbereitung hilft und ohne die ich definitiv schon die Segel gestrichen hätte.
Wer mich gut kennt, weiß, dass Geduld absolut nicht meine Stärke ist. Ich will, dass etwas funktioniert und ich will, dass es so schnell wie möglich funktioniert. Und das tut es nicht. Das tut es im Moment ganz und gar nicht und das frustriert mich. Das frustriert mich sehr.
Offiziell unterrichte ich 15 Stunden, inoffiziell sind es durchschnittlich nur 11 Stunden. Die Unterrichtsvorbereitung dieser 11 Unterrichtsstunden kostet mich gerade so viel Zeit, dass ich derzeit kaum mehr als das schaffe. Erschwerend hinzu kommt die Tatsache, dass ich weiterhin als Texterin arbeite. Erstens, um die finanzielle Differenz zu dem Vollzeit-Lehrergehalt abzupuffern. Zweitens, um nicht in die Arbeitslosigkeit zu rutschen falls ich den Lehrerjob kündige und drittens, weil ich nun mal gern Texte schreibe.
Summa summarum habe ich also zwei Jobs und meinen regulären Alltag dazu…Mann, Kinder, Haus und Hof…Ich unterrichte in der Schule und wenn ich nicht in der Schule bin, bereite ich den Unterricht dafür vor und wenn ich das nicht mache, schreibe ich Texte. So sieht mein Alltag derzeit grob aus. Mann, Kinder, Haus und Hof laufen so nebenbei und müssen halbherzig „abgehandelt“ werden. Das nervt mich gerade so richtig, denn der Rest, den ich gern für mich noch zusätzlich machen würde, fällt einfach hinten runter. Sportkurse sage ich ab, Spieleabende sage ich ab und um meinen Blog kann ich mich auch nur noch sporadisch kümmern. Termine, die ich dann doch wahrnehme, verbringe ich unter Zeitdruck, werde hippelig, wenn sie zu lange dauern oder schlafe sogar dabei ein, wie neulich beim Friseur.
Wenn ich früher eine neue Arbeitsstelle angetreten bin, war die Anfangszeit ähnlich stressig. Meine Erfahrungen jedoch ließen mich ruhig bleiben, denn ich wusste, der Stress nimmt ab, wenn sich alles eingespielt hat und ich über immer mehr Routine verfüge. Das Eintreten der Routine hat zwar mitunter 3 bis 6 Monate gedauert, aber danach war alles gut. 3 bis 6 Monate im Lehrerjob sind eine halbe Ewigkeit, von der ich jeden Tag ums Überleben kämpfen, mich gegen meine Ungeduld zur Wehr setzen und mich immer wieder neu motivieren muss, nicht aufzugeben. Wenn ich andere Lehrerinnen frage, kann diese „Einarbeitungszeit“ mitunter auch ein bis zwei Jahre dauern. Das wäre definitiv mein absolutes Todesurteil.
Ronny sagte neulich zu mir, als er mich schon wieder stundenlang vor dem Laptop hat sitzen sehen, dass meine Arbeitsweise vielleicht nicht effektiv sei. Da guckte ich ihn ungläubig an und dachte, er will mich auf den Arm nehmen. Eine effektive Arbeitsweise ist doch das, woran ich seit 15 Jahren in meinem bisherigen Beruf gearbeitet habe, was ich bei jedem neuen Job bis ins Detail perfektionieren musste, um das Arbeitspensum zu schaffen und was in meinem Lebenslauf bei den Softskills ganz oben stand. Und diese Arbeitsweise soll jetzt mein Verderben sein???
Ja, leider ist das durchaus denkbar. Denn was in Unternehmen effektiv ist, muss im Schulalltag nicht gleichsam effektiv sein. Unternehmen in der freien Wirtschaft zielen immer auf Gewinn ab, arbeiten nach dem Motto „Höher, schneller, weiter“. Mitarbeiter sollen lernen, über den Tellerrand zu schauen, um neue gewinnbringende Produkte oder weitere Optimierungspotenziale zu erkennen. Prozesse sollen rentabler gestaltet werden, um mehr Ergebnisse in weniger Zeit zu erzeugen. Immer mit einer unanfechtbaren und aufwendigen Qualitätssicherung, um die hohe Qualität zu halten und noch weiter zu erhöhen. Ständig musste irgendwas überdacht, besprochen und verbessert werden. Das war mein tägliches Brot in den letzten 15 Jahren und darauf habe ich meine Arbeitsweise konditioniert.
Diese antrainierte Arbeitsweise führt jetzt aber anscheinend dazu, dass ich ineffektiv bin. Ich konzentriere mich nicht auf das Wesentliche, suche stattdessen nach Verbesserungsmöglichkeiten, nach besonderen Beispielen, die der Thematik ihre Einzigartigkeit verleihen und lass mich dadurch ablenken, komme vom hundertstel ins tausendstel. Dabei steht mir ganz sicher auch mein eigener Anspruch im Weg.
Der Anspruch, der bisher an mich gestellt wurde, war Leistung mit höchster Qualität abzuliefern, in kurzer Zeit und zu jeder Zeit. Diese Leistung sollte fundiertes und weitgestreutes Wissen zugrunde liegen und über den Standard hinausgehen. Das wurde von mir erwartet und das wollte ich natürlich auch erfüllen. Und somit wurde der Anspruch an mich ganz automatisch auch zu meinem Anspruch. Aber mein Anspruch wird mir jetzt zum Verhängnis und lässt Frustration zurück, weil er mir Steine in den Weg legt und ich auf diese Weise nicht weiterkomme. Zumindest nicht soweit, dass ich Schule und Alltag annähernd unter einen Hut bekomme.
Ein erster Denkansatz zur Problembewältigung wäre möglicherweise dieser: Vielleicht ist es in meinem jetzigen Berufsalltag gar nicht notwendig, Leistung mit höchster Qualität abzuliefern? Vielleicht reicht es auch, wenn ich „nur“ Leistung mit guter Qualität abliefere? Wie bei dem Pareto-Prinzip: 80% der Ergebnisse mit 20% Gesamtaufwand erreichen.
Also einfach meine Ansprüche runterschrauben? Konditionierte Verhaltensweisen ad acta legen? Ich bin skeptisch, ob ich das wirklich hinkriege. Vielleicht wäre das aber der Schlüssel zum Erfolg? Es wäre zumindest ein erster Lösungsansatz und ein Versuch wert.
Vielleicht klappt es damit, vielleicht aber auch nicht. Ich weiß es nicht. Ich kann es nur ausprobieren. Wenn es nicht klappt, muss ich mir was anderes überlegen, weitere Stellschrauben betätigen, solange bis es funktioniert. Ich weiß nur eins: so wie es jetzt läuft, funktioniert es nicht, und schon gar nicht drei, sechs oder zwölf Monate, auch nicht mit dem höchsten Grad an Unterstützung aus allen Reihen.
2 Antworten auf „Warum Konditionierung sich auch rächen kann“
Hallo Jeannette,
Halte durch!
Bald sind Ferien und dann kannst du analysieren.
Das ist vielleicht ein Ansatz. Du sollst ja „nur“ die Not der Schulen lindern und nicht Unterrichtskonzepte verbessern. Das ist vielleicht etwas für später. Vielleicht ist das auch bei meinen Lehrerinnen der Fall gewesen?
Wie so oft, wenn man viele Sachen gleichzeitig macht, wird keine optimal.
Bleib gut gelaunt! Du schaffst das 😉
Grüsse aus der sonnigen Schweiz.
Christian
Hallo Christian!
Danke für Dein Mut-machen! Das kann ich wirklich gebrauchen 🙂
Du hast recht, bald sind Ferien (in 1,5 Wochen) und deswegen wirds jetzt auch ein wenig ruhiger. Ich muss die Ferien nutzen, um eine Grobplanung für das kommende Schuljahr zu machen und ich hoffe einfach, dass diese mir den laufenden Unterricht weniger stressig gestaltet. Ich wurde ja jetzt quasi ins kalte Wasser geschmissen und musste aus dem Nichts agieren. Ich bin gespannt … analysieren werde ich auf jeden Fall auch … Was ich aber schon gemerkt habe, ist die Tatsache, dass der Lehrerjob wirklich abwechslungsreich ist, d. h. kein Tag gleicht dem anderen, und das finde ich bis jetzt am allerbesten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich dann auf der Arbeit langweilen werde, sinkt 😉
Ich wünsche Dir morgen einen guten Start in die neue Woche!
Grüße aus der sonnigen Altmark
Jeannette