In zwei Tagen fliege ich mit den Kindern nach Deutschland um meine Eltern zu besuchen und automatisch ziehe ich ein Resümee aus der Zeit hier in Montenegro. Wir leben jetzt seit knapp 11 Wochen hier…wie habe ich die Zeit eigentlich genutzt?
Vor unserer Reise habe ich bzw. haben wir erst einmal den Mut aufgebracht, alle Zelte in Deutschland abzubrechen, unsere Komfortzone zu verlassen und uns bewusst zu entscheiden, in einem uns unbekannten Land zu ziehen und den Status „fremd“ anzunehmen. Diesen Prozess haben wir in diesem Ausmaß noch nie durchlebt und wir haben den Schweregrad unterschätzt. Dennoch haben wir diese Schwierigkeit gemeistert und ich kann mich jetzt viel besser in eine Person hineinversetzen, die irgendwo als Fremde einen Neubeginn wagt.
Ich bin gerade dabei, die montenegrinische Sprache zu lernen und stelle mich dabei gar nicht so dumm an. Ich lerne sie nicht aus Büchern oder aus dem Internet, sondern unsere Nachbarin bringt sie mir bei. Sie ist ein herzensguter Mensch und wir haben schnell Freundschaft geschlossen. Wir treffen uns meistens abends und weil wir uns in vielen Sachen ähneln, finden wir auch immer Dinge über die wir zusammen lachen können. Sie erzählt mir nebenbei viel über das Land und die Menschen, wodurch ich ein besseres Verständnis und eine klarere Sicht auf die Dinge um mich herum bekomme.
Ich habe vor unserer Reise meine eigene Homepage erstellt und veröffentliche seitdem regelmäßig Beiträge, in denen ich über das Land, unser Leben und mich schreibe. Auch wenn es eine einfache Homepage ist, freue ich mich über jeden Artikel, um dem ich sie erweitern kann. Das Schreiben macht mir Spaß und ich habe es sogar geschafft, mit einem von mir geschriebenen Text, Geld zu verdienen. Darauf bin ich wirklich stolz und könnte mir sogar vorstellen, das zu erweitern.
Mittlerweile backe ich für uns jeden zweiten Tag Brot – eines unserer Grundnahrungsmittel. Ich backe es nicht mit Hefe, sondern mit Sauerteig. Das Ansetzen des Sauerteigs hat mich viele Versuche gekostet. Weil ich aber nicht aufgegeben wollte, hat es irgendwann geklappt und somit können wir jeden Tag Brot essen, was dem aus Deutschland schon sehr nahekommt.
Durch die Erlebnisse der letzten 11 Wochen bin innerlich ruhiger geworden. Ich konnte den deutschen Stress von mir abschütteln und mich der montenegrinischen Gelassenheit und Lebensweise annehmen. Ich habe mich verändert – glücklicherweise zum Positiven. Gemerkt habe ich es unteranderem an eine gestrige Situation: Ich wollte mit einem Löffel Eis aus einer Dose in eine Schale portionieren. Da das Eis noch sehr hart und der Löffel aus einem sehr weichen Metall war, bog sich der Stiel des Löffels merklich um. Noch vor 3 Monaten hätte ich den Löffel wutentbrannt in die Ecke geschmissen, gestern jedoch musste ich herzhaft darüber lachen und die anderen stimmten meinem Lachen mit ein. Diese Situation zeigt mir, dass ich mich auf dem richtigen Weg befinde. Ich merke zwar, dass ich noch das eine oder andere Päckchen mit mir rumtrage, aber ich hoffe, dass ich diese auf meinem zukünftigen Weg, wohin er mich auch führt, auch noch loswerde…