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Montenegro

Der 1. Tag in Montenegro

Mit einer kleinen Verspätung von 15 min sind die Kinder und ich am 31.3. mit dem Flugzeug in Podgorica angekommen. Das Fliegen war für die Kinder unheimlich aufregend und laut ihrer Aussage richtig cool. Leider hat es bei unserer Ankunft geregnet, trotzdem haben wir uns riesig gefreut, unseren Papa wiederzusehen, der auf uns am Flughafen gewartet hat. Auch unser Freund wartete erwartungsvoll auf seine Frau und seine beiden Kinder.

Da wir seit dem Aufstehen nichts Ordentliches mehr gegessen haben, hatten wir alle richtig Hunger und sind im Anschluss in ein Restaurant in der Nähe gefahren. Die Portionen waren sensationell groß, so dass wir alle satt geworden sind und sogar noch etliches mitnehmen konnten. Im Anschluss sind wir alle zu unserer jeweiligen Wohnung gefahren und haben den Tag im neuen Heim ausklingen lassen.

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Der Abend vor dem Flug

Dies wird vorerst mein letzter Beitrag sein, den ich in Deutschland schreibe. Morgen früh 6 Uhr fahren wir mit dem Auto zum Berliner Flughafen. 11.25 Uhr soll der Flieger abheben und uns nach Montenegro bringen, in unsere neue Wahlheimat. Ronny hatte mich heute vorgewarnt, dass es wohl zwei Tage dauern werde bis ich den Kulturschock überwunden hätte. „Das hier ist eine ganz andere Welt.“, hat er gesagt. Ich bin gespannt ob ich das auch wirklich so empfinde.

Glücklicherweise konnte ich in den letzten Tagen wenig über das Bevorstehende nachdenken, weil ich permanent beschäftigt war, mit aufräumen, umräumen und Abschied nehmen. Im Nachhinein tut es mir sehr leid, dass ich die letzten Tage mit meinen Eltern nicht sinnvoller genutzt habe um sie mehr genießen zu können, schließlich werden wir uns ein ganzes Weilchen nicht mehr sehen. Ich wünsche mir sehr, dass wir das bei meinem nächsten Besuch nachholen können.

Ich denke gerade darüber nach, was morgen meine Abschiedsworte zu meinem Geburtsland sein würden…

„Liebes Deutschland, du warst mir fast 40 Jahre lang ein gutes Heimatland doch im Moment habe ich das Gefühl, dass wir nicht mehr kompatibel sind und deswegen halte ich es für das Beste, wenn wir beide eine Beziehungspause einlegen. Ich brauche Abstand von dir und vielleicht wird mir mit der Zeit bewusst, was ich an Dir hatte und komme sehnsüchtig wieder zurück zu Dir.“

Das Ende ist offen.

…glücklich oder nicht glücklich, das ist hier die Frage…

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1 Tag bis zur Abreise

Für die letzten Tage fällt mir nur ein Wort ein: EXTREM

Die letzten 4 Tage waren für Ronny und mich extrem schlafraubend, extrem nervig, extrem vollgepackt, extrem getaktet – einfach extrem anstrengend, sowohl physisch als auch psychisch! Ohne unsere kleine Wunderwaffe Taurin wären wir schon längst komplett durchgedreht.

Ronny ist an drei Tagen insgesamt fünfmal in die Altmark gefahren um dort den ganzen Rest, der neben den Möbeln noch übriggeblieben ist, unterzustellen. Wir hätten nie gedacht, dass wir trotz dem vielen Verkaufen, Verschenken und Entsorgen immer noch so viele Sachen haben, die die räumlichen Kapazitäten unserer Elternhäuser momentan an die Grenzen bringen.

Die Masse unseres Besitzes haben wir eindeutig unterschätzt und das hat uns unseren Zeitplan ziemlich durcheinandergebracht. Das hatte zur Folge, dass wir das Haus erst Donnerstagnachmittag an unsere Vermieter übergeben konnten und auch diesen Termin haben wir nur ganz knapp geschafft. Somit blieb uns nur der Freitag um alle Sachen einmal zu sichten und vorzusortieren in die Kategorien „Muss auf jeden Fall mit“, „Kann mit, wenn noch Platz ist“ und „Ist nicht notwendig, kann hierbleiben“.  Samstagvormittag haben wir dann alle „Muss mit“ – Sachen zusammengetragen und Ronny hat angefangen, das Auto voll zu packen. Erstaunlicherweise hatten wir noch so viel Platz, dass wir die „Kann“-Sachen unterbringen konnten und selbst danach waren noch kleine Ecken frei.

Morgen früh 6.30 Uhr fährt Ronny los und holt unseren Freund aus dem Süden von Sachsen-Anhalt ab. Dann fahren die beiden mit zwei vollgepackten Autos Richtung Montenegro. Eine Übernachtung im Hotel ist geplant, so dass die beiden Männer ungefähr Montagabend ihr Ziel erreichen sollten.

Ich fliege mit unseren beiden Kindern am Donnerstagmittag von Berlin nach Podgorica, genauso wie die Frau unseres Freundes mit ihren beiden Kindern. Wenn alles wie geplant läuft, treffen wir Donnerstagnachmittag in unserer neuen Wohnung in Kotor ein und dann kann der langersehnte Urlaub beginnen.

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5 Tage bis zur Abreise

Heute war es endlich so weit. Die ganze Familie Krebs ist zum Einwohnermeldeamt gefahren und hat sich abgemeldet. Wir haben ab 27.03.2022 keinen Wohnsitz mehr in Deutschland und auf unserer Abmeldebescheinigung steht Montenegro als Zielland.

Aufkleber auf Personalausweis
Mein Personalausweis

Dieser Vorgang hat ungefähr 20 min gedauert und war kein bisschen bewegend. Auch mein letzter Arbeitstag, der im Anschluss folgte, war gar nicht so emotional wie ich noch vor ein paar Wochen vermutet hätte. Meine Kollegen und mein Chef gaben mir in einem letzten gemeinsamen Treffen zwei Abschiedsgeschenke, worüber ich mich wirklich sehr gefreut habe. Ich bin mit einem guten Gefühl vom Werksgelände gegangen und freue mich auf alles Neue, was jetzt kommt. Ich habe keine einzige Träne vergossen, sondern hatte auf der Rückfahrt nur das Gefühl, endlich frei zu sein.

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Status (T-6 Tage)

Ich habe Muskelkater an Stellen, an den ich nicht mal Muskeln vermutet hätte. Das Wochenende war so anstrengend, dass ich gestern Abend total erledigt war und keinen intelligenten Satz mehr zustande gebracht hätte.

Zwei Tage lang haben wir Kisten von A nach B geräumt, Möbel geschleppt, Autos ein- und ausgeräumt, alles Mögliche verschenkt und verkauft, aufgeräumt, sortiert und sauber gemacht. Dabei hatten wir tatkräftige Unterstützung von meinen Schwiegereltern und Freunden, ohne die wir längst nicht so weit gekommen wären. Auch das sonnige Wetter hat uns in die Karten gespielt und uns zusätzlich motiviert. Alle Dinge, die wir nicht mehr haben wollten, von denen wir aber dachten, sie seien zum Wegschmeißen zu schade, haben wir auf dem Gehweg vor unserem Haus gestellt mit dem Schild „Zu verschenken“. Darunter waren Kinderspiele, Lampen, kleine Möbelstücke, Sandkastenspielzeug und noch allerhand mehr. Erstaunlicherweise ging dieses Konzept richtig gut auf. Die vorbeigehenden Leute haben so viel davon mitgenommen, dass am Abend des Sonntags nur noch einzelne Teile übrig waren, die wir dann heute endgültig der Deponie zugeführt haben. Klar hätte man unter anderen Umständen noch ein paar Euros dafür bekommen, aber uns war es wichtig, dass voll funktionsfähige oder hübsch aussehende Sachen nicht wegeschmissen werden sollten.

Abgesehen von zwei kleinen Regalen ist das Haus nun möbelfrei und in den einzelnen Räumen befindet sich nur noch das Nötigste, was wir für die letzten Tage brauchen. Insgesamt liegen zwar noch so viele Kleinigkeiten rum, dass wir sicher zweimal das Auto damit füllen können, aber das erfordert keinen großen logistischen Aufwand und ist leicht zu händeln.

Insgesamt sind wir zufrieden. Die Kinder haben die letzten Tage prima mitgemacht, wir liegen gut in der Zeit und sollten die Wohnungsübergabe am Mittwoch, spätestens Donnerstag hinkriegen.

AUF ZUM ENDSPURT!!!

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Status (T-2 Wochen)

OH…MEIN…GOTT!!!

Wie kann man nur so im Überfluss leben und es nicht merken?! Wir haben so viel Kram, dass unsere Wohnung theoretisch aus allen Nähten platzen müsste. Das ist uns aber erst jetzt aufgefallen wo allmählich unsere Möbel verschwinden und der ganze Inhalt der Schränke auf dem Boden oder in Kisten verteilt ist. Wir müssen jedes Teil einmal in die Hand nehmen und über sein Werdegang entscheiden: Gehen, Mitkommen oder Einlagern. Gefühlt sind es Millionen Teile, über die wir in den letzten 48 h entscheiden mussten und es ist noch kein Ende in Sicht.

Gestern waren meine Mutter, meine Tante und mein Cousin bei uns und haben so viel mitgenommen wie sie in ihrem Transporter und Auto unterbringen konnten und trotzdem ist noch so viel übrig geblieben. Es ist Wahnsinn!!! Und lässt uns allmählich panisch werden. Denn unser Plan war, ohne Möbel und nur mit Kisten von der Bäk wegzufahren. Plan B hatten wir dafür bis dato noch nicht, aber wir merken, dass wir wohl ohne nicht mehr auskommen werden.

Wir haben viele unsere Möbel bei Ebay inseriert aber irgendwie will sie keiner haben auch nach regelmäßiger Preissenkung nicht. Letztendlich wird uns wohl nichts anderes übrigbleiben als die Sachen zu verschenken, wenn wir nicht wollen, dass sie im Sperrmüll landen. Wir müssen uns eingestehen, dass wir zu spät mit dem Inserieren begonnen haben. Wir merken, dass wir wesentlich produktiver sind, wenn wir beide zu Hause sind um zu sortieren. Leider stehe ich die nächsten Tage nur nachmittags zur Verfügung, weil ich noch 7 Arbeitstage vor mir habe.

Die Kinder unterstützen uns indem sie ihre Lego-Teile auseinander bauen oder selbst entscheiden was mit ihren Sachen passiert, immer mit dem Hintergrund, dass das Volumen unseres Autos begrenzt ist und auch der Stauraum bei unseren Eltern räumliche Grenzen hat. Es macht uns traurig, dass wir uns derzeit nicht so intensiv um die beiden kümmern können wie wir es unter normalen Umständen getan hätten, aber wir hoffen, dass wir die fehlende Aufmerksamkeit spätestens in drei Wochen wieder wett machen können.

Dazu kommt, dass Ronny in einem Zoom-Meeting darüber informiert wurde, dass wir für die Beantragung einer Aufenthaltsgenehmigung in Montenegro, internationale Geburtsurkunden von uns vieren und eine international anerkannte Urkunde über unsere Eheschließung (am besten alle Dokumente mit Apostille) vorlegen müssen. Diese Vorgabe können wir unmöglich in den nächsten 1,5 Wochen einhalten. Auch da müssen wir uns eine Strategie überlegen.  

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Selbstzweifel?

Ja klar habe ich Selbstzweifel!

Anfang Januar, als ich wir uns dazu entschlossen haben, Deutschland zu verlassen, war unser Vorhaben reine Theorie. Alle unsere Pläne und To-Do-Listen entstanden in unseren Köpfen. Als wir die ersten Kündigungen einreichten, hätte es noch ein Zurück geben können. Und auch als die ersten Möbel aus unserem gemieteten Haus verschwanden oder wir die ersten Altkleider-Säcke wegbrachten, hätten wir alles wieder rückgängig machen können. Denn ehrlich gesagt, war diese Entrümpelung schon längst überfällig und hat uns im Grunde nichts ausgemacht. Das wirklich wichtige war ja immer noch da – Geschirr, Lieblingsklamotten, Betten, … Erst als unser Kleiderschrank abgeholt wurde, erst ab diesem Zeitpunkt fing etwas an, sich in meinem Kopf zu verändern. Erst da fing es an, dass mir das Ausmaß unseres Entschlusses so langsam bewusst wurde.

So nach und nach stehen jetzt immer mehr Dinge vor ihrer Entscheidung „weg, mitnehmen oder einlagern?“. Und während ich die einzelnen Sachen zu Ihrer vorgesehenen Endstation (Kiste oder Tonne) befördere, denke ich „Ist das alles so richtig, was wir machen?“ Wenn ich dann ins Grübeln komme und weiterdenke, frage ich mich auch „Ist der Preis, den du jetzt für deine Selbstverwirklichung zahlst, nicht am Ende zu hoch?“, „Ist es das am Ende wert?“ und warum kannst du nicht wie andere sein, die ihr Leben lang oder zumindest viele Jahre am selben Ort wohnen, die gleiche Arbeit ausüben und rund um zufrieden sind, mit dem was sie haben und mit der Art und Weise wie es läuft.

Was mache ich jetzt mit meinen Selbstzweifeln?

Carrie Bradshaw hat einmal in einer Folge von „Sex and the City“ gesagt: „Wenn ich Geister sehe, akzeptiere ich sie, dann verschwinden sie und ich kann weiter machen wie gewohnt.“ Also wenn die Selbstzweifel meine Geister sind, kann ich es vielleicht genauso handhaben.

Die Selbstzweifel sind da, ich akzeptiere sie und warte bis sie verschwinden. Danach mache ich weiter.

Und ja, ich mache einfach weiter, denn ich weiß ja was dahintersteckt und wofür ich bzw. wir es machen, auch wenn ich mir manchmal unsere gesamten Gründe nochmal ins Gedächtnis rufen muss. Und ich hoffe einfach darauf, dass diese Reise ein weiterer Punkt in meinem Leben wird, von dem ich sage: „Wenn ich nochmal die Wahl hätte, ich würde es wieder genauso tun!“.

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Status (T-3 Wochen)

Geplant ist es, dass Ronny heute in 3 Wochen mit dem Auto nach Kotor fährt, um dort unsere neue Wohnung in Empfang zu nehmen.

Im Moment sieht unser derzeitig bewohntes Haus eigentlich wie immer aus. Es fehlen hier und da ein paar kleinere Möbelstücke, es stehen nur ein paar gefüllte Umzugskartons herum und wir müssen weder unsere Kleidung noch unsere alltäglichen Gebrauchsgegenstände aus irgendwelchen Kisten zusammensuchen. Es ist eigentlich alles wie immer…eigentlich…denn die ersten Termine für Abschiedstreffen stehen fest, die meisten unserer Möbel bieten wir bei Ebay Kleinanzeigen an, die Kinder müssen noch 10x zur Schule gehen und unsere Eltern wissen wann sie kommen können um die letzten Möbel und Kisten abzuholen.

Bis jetzt war ich immer ganz ruhig und habe alles „fließen“ lassen. Ich arbeitete nach und nach meine To-Do-Liste ab und auch Ronny hatte seine Aufgaben. Ich habe mir insgesamt wenig Gedanken gemacht, weil ich mir sagen konnte: „Du hast ja noch Zeit!“. Aber seitdem der März angefangen hat, werden unsere Tage mit immer mehr Terminen gefüllt und ich muss manches Mal schon überlegen, wann ich was wie zeitlich unterkriege. Das lässt mich allmählich nervöser werden, denn wenn ich sonst gedacht habe: „Ach, es sind ja noch 3 Wochen!“ Denke ich jetzt: „Oh Gott, es sind ja NUR noch 3 Wochen!“ Und auch auf der Arbeit denke ich manchmal: „Hoffentlich schaffst du das alles, was du dir noch vorgenommen hast!“

Dieser Zustand, der jetzt gerade existiert, ist eigentlich komplett gegen mein Naturell. Schon in der Schule habe ich gemerkt, dass ich völlig planlos werde und nicht mehr rational agiere, wenn ich unter Stress und Zeitdruck gerate. Aus diesem Grund habe ich mit Lernen für Klausuren (z. B.) grundsätzlich viel zu früh angefangen. Damit bin ich gut gefahren und das über Jahre und Jahrzehnte. Wenn etwas zu einem bestimmten Termin erledigt werden musste, habe ich mir immer einen großzügig gestalteten Zeitpuffer eingebaut. Somit konnte ich die Dinge in aller Ruhe und ohne Druck erledigen und dann wurden sie auch gut. Jetzt aber, wo es Faktoren gibt, auf die ich keinen direkten Einfluss habe, z. B. der Verkauf der Möbel, da werde ich nervös. Denn die Erfahrung lehrt mich, dass es gerade die unberechenbaren Faktoren sind, die mich dann zum Straucheln bringen.

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Ist Blut wirklich dicker als Wasser?

Als ich ein kleines Kind war, wünschte ich mir immer eine große Schwester. Stattdessen wurde ich mit zwei älteren Brüdern gesegnet, die jede Gelegenheit nutzten, um mich zu ärgern, weil sie – erstens – zu zweit und älter waren und ich – zweitens – noch zu klein war, um mich zu wehren. Ich beneidete die Mädchen, die eine Schwester hatten, weil ich das Gefühl hatte, dass zwischen ihnen eine Beziehung bestand, die sie auf eine ganz besondere Weise miteinander verband.

Durch den Verlust meines nächstälteren Bruders blieb mir nur noch ein Bruder übrig. Entgegen meiner Hoffnungen schweißte uns das nicht enger zusammen, sondern das ganze Gegenteil trat ein. Die Tatsache, dass in unserer Mitte jemand fehlte, entzweite uns zusätzlich, schleichend und unaufhaltsam. Unser Bindeglied, was unsere Verbindung zueinander bisher aufrechterhielt, war nicht mehr da. Immer mehr wuchs ich in dem Gefühl auf, ein Einzelkind zu sein, was mich in meiner physischen Entwicklung nicht negativ beeinflusste, doch mir die Verbundenheit vorenthielt, die Geschwister oft auf irgendeine Art und Weise spüren.

In dieser Zeit trat ein Mensch in mein Leben, den ich anfangs als flüchtige Bekanntschaft, später als Freundin und schon längst als beste Freundin bezeichnen würde. Wir kennen uns schon so lange, dass sie für mich wie eine Schwester ist und ich mir ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen könnte. Die meiste Zeit davon waren wir räumlich weit voneinander entfernt und trotzdem haben wir uns gesehen, so oft es uns möglich war. Jeder von uns hat den anderen mit seinen Höhen und Tiefen erlebt und unterstützt, sobald Hilfe nötig war. Meinungsverschiedenheiten, die in einer guten Freundschaft sowohl erlaubt als auch gewollt sind, haben bei uns zu einem verständnisvolleren Umgang geführt und uns besser wissen lassen wie der andere tickt.

Durch unsere langjährige Freundschaft und die Erlebnisse des letzten Jahres haben sich meine Erwartungen an eine beste Freundin grundlegend geändert. Es ist mir nicht wichtig, ob beste Freundinnen jede freie Minute miteinander verbringen oder immer einer Meinung sind oder sich gegenseitig teure Geschenke machen. Vielmehr ist es doch ausschlaggebend für eine gute Freundschaft, ob ich mich wohl und verstanden fühle, dass ich so akzeptiert werde wie ich bin und sie mir die Sicherheit gibt, dass immer jemand für mich da ist. Gerade jetzt, wo meine Tage in Deutschland gezählt sind, wird mir bewusst wie wichtig sie für mich ist und dass unsere Freundschaft nicht selbstverständlich ist. Diese Gefühle – Glück, Verbundenheit, Freude und Zuneigung – die sich in mir wohlig warm ausbreiten, wenn wir zusammen sind, können mir kein Bruder der Welt geben.

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Freundschaften

Freundschaften sind ein Phänomen!!!

Seit der ersten Klasse hatte ich immer viele Freunde. Das Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, war nicht groß, aber insgesamt hatte es viele Kinder, die ich – obwohl neu zugezogen – fast alle kannte und mit denen ich mich meistens gut verstand. Damals war alles so einfach. Du mochtest jemanden und wenn du jemanden mochtest, spieltest du auch mit demjenigen und wenn du mit jemanden spieltest, warst du automatisch sein Freund. Damals habe ich mir über Freundschaften nicht die geringsten Gedanken gemacht. Freunde waren zu Genüge da. Die Welt war in Ordnung.

Mit dem älter werden kamen auch die ersten Kinder und der Fokus jedes Einzelnen verlagerte sich. Das Wiedersehen im Allgemeinen wurde schwieriger, aber immer noch machbar. Die Abstände zwischen zwei Treffen wurden größer, hingegen wurde das Ereignis an sich dann ausgelassener gefeiert. Ich nutzte jede Möglichkeit, Freunde zu besuchen oder sie zu mir einzuladen, so dass ich die freien Wochenenden des Jahres 2019 an einer Hand abzählen konnte. Es war mitunter stressig, aber Balsam für meine Seele, so oft Freunde und Verwandte um mich zu haben.

Dann kam das Jahr 2020 und eine abrupte Veränderung im Miteinander wurde uns allen auferlegt. Mit 2021 gingen wir in das zweite Jahr des Ausnahmezustandes. Und durch dieses Jahr 2021 wurde mein bisheriges Weltbild über Freundschaften bis in die Grundfesten erschüttert. Nichts war mehr so wie ich es kannte. Lieb gewonnene und langjährige Freunde wandten sich bewusst von mir ab. So wie ich war, war ich nicht mehr in Ordnung, zu kompliziert, zu unbequem, nicht gewollt. Diese Veränderungen zu akzeptieren war ein langer Prozess für mich, der bis heute andauert. Ich habe anfangs sehr gelitten und ich leide noch.

Demgegenüber steht aber auch die Tatsache, dass ich in den letzten Monaten so großartige und absolut wundervolle Menschen kennengelernt habe. Menschen, die mich so nehmen wie ich bin, die mich nicht auf meine Meinung reduzieren, denen ich am Herzen liege und die bewusst den Kontakt zu mir suchen. Es haben sich Menschen zu Freunde entwickelt, von denen ich nie gedacht hätte, dass sie Freunde sein könnten. Diesen Menschen bin ich zutiefst dankbar. Ohne diese mit Liebe erfüllten Menschen hätte ich die schwere Zeit nicht überstanden. Sie haben mir, ob bewusst oder unbewusst, immer wieder Kraft gegeben, an mich zu glauben und weiter zu machen. Sie haben mir den Glauben an das Gute im Menschen zurückgegeben.

Schlussendlich hat mich dieses verhasste Jahr 2021 mehr über Menschen, Beziehungen, Verhalten und Kommunikation gelehrt als die vielen Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte, zuvor. Es hat mich auch zu der Erkenntnis gebracht, dass Freundschaften komplexe Wesen sind, die so zerbrechlich sein können, dass sie mit wenigen Worten zugrunde gerichtet werden. Gleichzeitig können sie auch so stark sein, dass sie die größten Hürden überwinden und für immer bestehen. Freundschaften folgen keinem Schema F, sie treffen einen manchmal völlig überraschend und können mit konventionellem Schwarz-Weiß-Denken nicht eingeordnet werden.