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Pest oder Cholera?

Mein Opa hat früher immer gesagt: „Über Geld spricht man nicht, Geld hat man!“

Wer mich kennt, weiß, dass ich eher zu der unkonventionellen Sorte von Menschen gehöre. Ich bin jemand, der sonntags Wäsche wäscht, sein Bettzeug auch in den Monaten mit „R“ raushängt und zu einer Geburtstagspartys einlädt, zu der die Gäste ausdrücklich aufgefordert werden, keine Geschenke mitzubringen. Also breche ich auch mit dieser „Tradition“ und spreche in diesem Beitrag über das Thema Geld.

Einer der Vorzüge des Berufes „Chemieingenieur/-in“, den ich nach meinem Studium 15 Jahre lang ausgeübt habe, ist der, dass man dabei recht gutes Geld verdient. Dabei ist „gut“ natürlich relativ, aber insgesamt gesehen konnte ich mich persönlich nicht beschweren und wenn ich mir ansehe, in welchen Firmen meine ehemaligen Kommilitonen arbeiten, gehe ich davon aus, dass auch sie finanziell ganz gut aufgestellt sind.

Mein gutes Gehalt erlaubte es mir, von Anbeginn meiner beruflichen Karriere immer finanziell unabhängig sein zu können. Ich konnte mir allein eine Wohnung leisten, ein eigenes Auto fahren und hatte noch Geld für Urlaube, Freizeitaktivitäten und sonstiges übrig. Alle Dinge waren nicht luxuriös und kein oberster Standard aber für mich waren sie völlig ausreichend, denn ich hatte meine Freiheiten.

Wer jetzt eins und eins zusammenzählt, kommt ganz schnell zu dem Schluss, dass ich derzeit nicht mehr dieses entsprechende Gehalt beziehe, weil ich nicht mehr als Chemieingenieurin arbeite. Die Gehaltsklasse einer Texterin liegt einige Etagen tiefer.

Und wie sieht es denn jetzt mit meiner finanziellen Unabhängigkeit aus?

Die musste ich abgeben an dem Tag, an dem ich meinen letzten Ingenieursjob gekündigt habe. Damals hatte ich über diese mögliche Konsequenz überhaupt nicht nachgedacht – dafür wird sie mir heute umso schmerzlicher bewusst. Nach 15 Jahren Berufserfahrung wäre es mir heute nicht mehr möglich, mein Leben finanziell allein und auf die gleiche Weise wie früher zu bewältigen. Für mich – ein Mensch, der seine Selbständigkeit, Selbstbestimmung und Unabhängigkeit immer schon als höchste Güter angesehen hat – gleicht dieser Zustand einem mentalen Knock-out, der nicht nur nach und nach mein Selbstwertgefühl schwinden lässt, sondern mir mehr und mehr das Gefühl gibt, fremdgesteuert in einem Käfig zu sitzen.

Als wir Mitte August letzten Jahres wieder nach Deutschland zurückgekommen sind und uns die Höhe der uns bevorstehenden Nebenkosten fast erschlagen hätte, war für Ronny und mich klar, dass unsere beiden Gehälter nicht ausreichen werden, um unsere Fixkosten decken zu können. Da ich von Haus aus, aus einem anderen Berufsmetier komme, habe ich angefangen, nach Ingenieursstellen in meiner Nähe zu gucken.

Einer der Nachteile des Berufes „Chemieingenieur/-in“ ist der, dass man ihn nicht überall ausüben kann – was der Grund dafür ist, dass wir so oft umgezogen sind – und schon gar nicht in der Altmark – das ist wiederum der Grund, warum wir nicht schon früher hierher gezogen sind. Das Ergebnis meiner Bemühungen der letzten Monate stellt mich nun vor die Wahl und ich kann mich zwischen Pest und Cholera entscheiden.

Nehme ich einen Vollzeitjob an, lande ich früher oder später wieder im Hamsterrad. Ich verdiene dann wieder so viel Geld, dass ich finanziell unabhängig bin, habe aber im Gegenzug kaum Zeit mehr für die Familie, für mich selbst, für Sport oder sonstiges. Nehme ich jedoch einen Teilzeitjob an, kann ich vorerst dem Hamsterrad entkommen. Ich finde noch Zeit zum Schreiben, für die Kinder und für andere Sachen. Dann kann ich meiner finanziellen Unabhängigkeit aber erst mal für eine lange Zeit adé sagen.  

Da stellt sich mir nun die Frage: Wie wichtig ist mir meine finanzielle Unabhängigkeit und welchen Preis muss ich bereit sein, dafür zu zahlen?

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Alles auf Anfang

Nun ist es wieder soweit…heute ist der 01. Januar und das Jahr 2023 beginnt. Ich mag den Januar überhaupt nicht, weil er der Anfang eines neuen Jahres ist, das erneut bewältigt werden muss und alles an Überraschungen bereithalten kann, was man nicht mal im Ansatz erahnt.

Beginnt ein neues Jahr fühle ich mich wie Sisyphos. Eine Figur aus der griechischen Mythologie, die von den Göttern die Strafe auferlegt bekommen hat, einen schweren Stein den Berg hochzurollen. Ist der Stein oben, rollt er jedoch wieder ins Tal und Sisyphos muss von vorne beginnen: Habe ich ein Jahr geschafft – mit all seinen Höhen und Tiefen – stehe ich wieder am Anfang und muss von neuem beginnen.

Dabei spielt es sicherlich auch eine Rolle wie das alte Jahr verlaufen ist. Stand es unter einem schlechten Stern, denke ich mir: „Endlich ist das alte Jahr vorbei! Ich freue mich auf das neue, denn es kann nur besser werden.“ Wenn ich aber an das Jahr 2022 denke, denke ich mir: „Schade, dass es vorbei ist, denn es war so schön.“

Letzte Nacht, während ich dem in den Himmel aufsteigende Feuerwerk zugesehen habe, habe ich die letzten 12 Monate nochmal vor meinem geistigen Auge abgespielt und überlegte dabei, was ich mit meiner Familie alles erlebt habe. Zusammenfassend kann ich sagen, dass es ein wirklich außergewöhnliches, aufregendes und emotional turbulentes Jahr war. Ein Jahr, durch das ich nicht nur wie sonst mit viel Arbeit und Stress durchgekommen bin, sondern ein Jahr, in dem ich die Momente wahrhaftig gelebt habe. Ich habe endlich Dinge gemacht, die ich schon immer machen wollte und das finde ich grandios:

  • Ich bin ausgewandert.
  • Ich habe meine eigene Homepage mit eigenem Blog ins Leben gerufen.
  • Ich habe mit Schreiben Geld verdient.
  • Ich wohne wieder in der Altmark.
  • Ich werde mich ehrenamtlich der Hospizarbeit widmen.
  • Zu unserer Familie gehören 2 Katzen.
  • Zu unserer Familie gehören 2 Hunde.
  • Zu meinem Geburtstag hatte ich eine Riesenparty, so wie ich sie wollte.

Ich weiß, dass sich so ein Jahr wie 2022 nicht wiederholen und 2023 ganz sicher ruhiger wird. Trotzdem will ich versuchen, mir den Geist des letzten Jahres zu bewahren und ihn als Begleiter für die bevorstehende Zeit bei mir zu behalten. Ich möchte mehr von den „Das-wollte-ich-schon-immer-mal-machen“ Dingen tun und weniger sagen: „Nein, jetzt passt es gerade nicht, ich warte bis…“ Ich möchte mehr gewollte, gelebte Momente und weniger pflichtgebundene To-Do-Listen.

Immer stärker wird mir vor Augen geführt, dass nichts unendlich ist und dass es Sachen gibt, für die es zu spät sein wird, wenn sie aufgeschoben werden. Also ist doch JETZT genau der richtige Zeitpunkt dafür.

2023 ist sicher weniger abwechslungsreich, muss aber nicht automatisch langweilig und stupide werden. Es hat die Chance verdient, genauso großartig zu werden wie 2022 – durch neue Möglichkeiten, andere Wege, wertvolle Momente und bemerkenswerte Menschen – eben auf seine eigene, ganz besondere Art und Weise.

Mit diesem Gefühl fällt es mir leichter, den Jahresbeginn erwartungsvoll und nicht frustrierend zu meistern und schaffe es dadurch vielleicht, den Stein für einen kurzen Augenblick am Runterrollen zu hindern.