Morgen früh geht’s los. Morgen findet der erste Tag meines vierwöchigen Grundlagenkurses statt. Damit beginnt ein neuer Abschnitt in meinem Leben, für den ich mich auf unbekanntes Terrain begebe. Ich habe nur eine geringe Ahnung, was mich erwartet und bin daher umso gespannter auf das, was vor mir liegt. Ich gehe da völlig ohne Erwartungen ran und lasse das Ganze einfach auf mich zukommen.
Diesen Schritt, der mich jetzt an diesen Punkt gebracht hat und mich in ein neues Abenteuer führt, habe ich im Oktober 2022 gewagt. Am 14.10.2022 habe ich mich im Matorixmatch-Portal registriert und meine Dokumente hochgeladen. Damit habe ich mich offiziell für eine Lehreranstellung im Land Sachsen-Anhalt beworben. Da ich kein Lehramt studiert habe, werde ich als sogenannte Seiteneinsteigerin bezeichnet.
Wie kam ich auf diese Idee?
Nun…viele Überlegungen haben mich auf diese Idee gebracht. Ausgehend von meinem innigsten Wunsch, meine finanzielle Unabhängigkeit wieder zu erlangen, war der Lehrerjob eine attraktive Alternative zu den Anstellungen, die ich als Chemieingenieurin in der Altmark in Aussicht gehabt hätte.
Meine bisherige Arbeit hat mir viel Spaß gemacht, aber ich konnte mein chemisches Wissen, was ich mir in den letzten Jahrzehnten angeeignet hatte, nicht nutzen, weil der Bedarf einfach nicht da war. Es war schlicht nicht notwendig, dieses Wissen abzurufen. Somit hatte ich das Gefühl, immer mehr davon zu vergessen. Das machte mich traurig und ich wollte dem entgegensteuern.
Nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern auch in ganz Deutschland herrscht akuter Lehrermangel und somit wird der Seiteneinstieg von Fachkräften sehr gefördert und ist, im Gegensatz zu dem Prozess von vor 10 Jahren, deutlich vereinfacht worden. Mein Neffe ist gerade in der 8. Klasse und hat sehr viel Unterrichtsausfall. Diese Situation ist extrem unbefriedigend sowohl für die Schüler, als auch für die Eltern. Das Beste, um daran etwas ändern zu können, ist eben selbst den Lehrerberuf zu ergreifen. Damit erhöhe ich die Chance, dass es unseren Kindern nicht genauso ergehen muss.
Ich habe großen Respekt vor dem Lehrerberuf, weil er so viel Verantwortung mit sich trägt und so viel mehr ist als „nur vor der Klasse zu stehen und seinen Stoff runter zu erzählen“, dass ich der Überzeugung bin – genauso wie es im Allgemeinen heißt – Lehrer zu sein, ist kein Beruf, sondern eine Berufung. Ich hatte damals im Chemie-Leistungskurs einen tollen Lehrer, der mir die Chemie als etwas Natürliches, Wunderbares und Einzigartiges erklärt hat. So habe ich mich in sie verliebt und darin meinen Beruf gefunden.
Obwohl ich nie Lehrerin werden wollte, nehme ich jetzt diese Herausforderung an und probiere mich aus. Ob es auch meine Berufung werden kann, wird sich in den nächsten Monaten herausstellen. Ich werde auf jeden Fall mein Bestes geben und sehen, was sich daraus entwickelt. Im Idealfall schaffe ich es, meinem Vorbild nachzuahmen und in manchen Schülern das gleiche Interesse für die Chemie zu wecken, wie mein Lehrer es damals bei mir geschafft hat.
Damit wäre dann der Lehrerberuf in Sachen Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit die absolute und unangefochtene Nummer eins meiner gesamten Anstellungen – und das ist, meiner Meinung nach, das wertvollste aller Attribute, was ein Job je haben kann.